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Arbeitszeitbetrug ist kein Kavaliersdelikt: Verdachtskündigung kann zulässig sein

Der dringende Verdacht einer manipulierten Arbeitszeiterfassung kann eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen.

Hintergrund

Ein seit 2005 im Jobcenter beschäftigter Arbeitnehmer arbeitete in Vollzeit. Seine Arbeitsleistung war grundsätzlich im Dienstgebäude des Jobcenters zu erbringen. Für mobiles Arbeiten benötigte er die Zustimmung seiner Führungskraft. Seine Arbeitszeit war entweder an einem Terminal am Gebäudeeingang oder online am PC zu erfassen.

Anfang des Jahres 2020 führte der Geschäftsführer des Jobcenters aufgrund eines hohen Negativsaldos des Arbeitnehmers auf seinem Arbeitszeitkonto mit ihm ein Mitarbeitergespräch und vereinbarte mit ihm, dass der Negativsaldo abgebaut werden müsse. Der Teamleiterin des Arbeitnehmers, die selbst in Teilzeit arbeitete, fiel im Laufe des Jahres 2021 auf, dass der Kollege trotz Vollbeschäftigung einerseits häufig später zur Arbeit erschien als sie, andererseits seinen Arbeitsplatz wiederum früher verließ.

Sie prüfte nach Einschaltung der Personalvertretung seine Zeiterfassungsdaten. Hierbei fielen ihr Abweichungen zwischen seinen Arbeitszeitbuchungen und seinen tatsächlichen, von ihr notierten Anwesenheitszeiten auf. Der Arbeitnehmer war an mehreren Tagen noch gar nicht im Dienstgebäude anwesend, obwohl er im Zeiterfassungssystem bereits als anwesend erfasst war. Es entstand daher der Verdacht, dass sich der Arbeitnehmer mehrfach bereits zu Hause eingeloggt hatte, aber tatsächlich seine Arbeit erst mit Ankunft im Dienstgebäude aufgenommen hatte.

Mit diesem Vorwurf im Rahmen einer Anhörung konfrontiert, war der Arbeitnehmer nicht in der Lage, den Verdacht einer Manipulation seiner Zeiterfassung zu entkräften. Das Jobcenter sprach daraufhin, nach vorheriger Anhörung des Personalrats, eine Verdachtskündigung aus. Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers ab.

Entscheidung

Seine hiergegen eingelegte Berufung blieb vor dem LAG erfolglos.

Die Richter hielten die ordentliche Verdachtskündigung für rechtmäßig. Eine ordentliche Kündigung ist gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit sozial gerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist. Dies sei hier der Fall.

Der Verdacht eines vorsätzlichen Verstoßes eines Arbeitnehmers gegen die Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeiten der am Gleitzeitmodell teilnehmenden Arbeitnehmenden vertrauen können. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmenden selbst die Erfassung im Zeiterfassungssystem vornehmen lasse. Für die Abweichungen gab es nach Überzeugung des Gerichts keine andere Erklärung, als dass der Arbeitnehmer sich bereits von zu Hause aus eingebucht hatte und erst später im Büro die Arbeit aufgenommen hatte.

Eine Abmahnung sei nicht notwendig gewesen. Die Pflichtverletzung sei so schwerwiegend, dass selbst deren erstmalige Hinnahme nach objektiven Maßstäben unzumutbar und auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen sei. Die Erfassung von nicht geleisteter Arbeitszeit führe mittels Täuschung zu unberechtigten Lohnzahlungen. Eine solche Täuschung, die zu einer in ihrem Ausmaß kaum bestimmbaren Vermögensschädigung führe, könne der Arbeitgeber nicht hinnehmen. Das müsse auch dem Arbeitnehmer bewusst sein.