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Wechselseitige Veräußerung von GmbH-Anteilen unter Wert stellt Gestaltungsmissbrauch dar

Ein "Verlust", der im Zuge einer Anteilsrotation lediglich wegen der Vereinbarung eines den Wert des veräußerten Anteils krass verfehlenden Kaufpreises entsteht, stellt einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts dar.

Hintergrund

Z ist Gründungsgesellschafter der mit einem Stammkapital von 260.000 EUR ausgestatteten X-GmbH und zur Hälfte beteiligt. Neben Z war im Jahr 2017 auch A zur Hälfte beteiligt. Z und A waren zu Geschäftsführern bestellt.

Im Dezember 2017 schloss Z mit A einen privatschriftlichen Kauf- und Abtretungsvertrag, mit dem Z seinen Geschäftsanteil (130.000 EUR) zum Kaufpreis von 12.500 EUR an A veräußerte. Am selben Tag übertrug auch A seinen Geschäftsanteil privatschriftlich zu gleichen Konditionen auf Z. Z hatte den Kaufpreis bereits im Dezember 2017 überwiesen.

Im Januar 2018 schlossen Z und A (erneut) einen – nunmehr notariell beurkundeten – Kauf- und Abtretungsvertrag zu identischen Bedingungen.

Z machte für 2017 einen Verlust aus der Veräußerung i. H. v. (Veräußerungspreis 12.500 EUR ./. Anschaffungskosten 500.000 EUR = 487.500 EUR x 60 % =) 292.500 EUR geltend. Das Finanzamt erkannte den Verlust schon deshalb nicht an, weil der notarielle Vertrag nicht im Streitjahr 2017, sondern erst 2018 geschlossen wurde. Außerdem scheitere die Verlustanerkennung an einer missbräuchlichen Gestaltung. Der von A gezahlte Kaufpreis (12.500 EUR) sei unangemessen gewesen. Denn der gemeine Wert der X-GmbH sei mit rund 1,4 Mio. EUR anzusetzen.

Das FG folgte der Auffassung des Finanzamts und wies die Klage ab.

Entscheidung

Der BFH wies die Revision zurück. Der wechselseitige Anteilsverkauf weit unter Wert zur Verlustnutzung war rechtsmissbräuchlich.

Die Übertragung der Anteile von Z auf A im Dezember 2017 wurde nicht notariell beurkundet und war daher formnichtig. Der Formmangel wurde erst durch die notarielle Beurkundung im Januar 2018 – ohne Rückwirkung im Jahr 2017 - geheilt. Bereits deshalb scheidet eine Berücksichtigung des Verlusts im Streitjahr 2017 aus.

Wirtschaftliches Eigentum an Kapitalgesellschaftsanteilen kann zwar auch erworben werden, wenn die Vertragsparteien die in einem formunwirksamen Vertrag getroffenen Vereinbarungen tatsächlich durchführen. Dafür fehlen jedoch im Streitfall entsprechenden Anhaltspunkte. Die mit den Anteilen verbundene Rechtsstellung ist nicht bereits im Jahr 2017 auf A übergegangen.

Zwar steht es einem Steuerpflichtigen frei, ob, wann und an wen er seine Anteile veräußert. Dies gilt auch, wenn die Veräußerung zu einem Verlust führt. Die Berücksichtigung ist damit nicht von vornherein rechtsmissbräuchlich. Anders ist es jedoch, wenn ein "Verlust" nur dadurch entsteht, dass ein den Wert des Anteils krass verfehlender Kaufpreis vereinbart wird. Denn dann kommt der "Verlust" nicht durch eine den Anteilen innewohnende Wertminderung, sondern durch einen Verkauf unter Wert zustande.

Die X-GmbH war nach den Feststellungen des FG im Zeitpunkt der Veräußerung wirtschaftlich erfolgreich. Die Kennzahlen (Eigenkapital, Jahresüberschüsse, Ausschüttungen, Geschäftsführergehälter) lassen nicht den Schluss zu, dass der vereinbarte Kaufpreis (jeweils 12.500 EUR) auch nur annähernd dem Wert der veräußerten Anteile im Veräußerungszeitpunkt entsprach. Der "Verlust" des Z aus der Veräußerung war mithin im Veräußerungszeitpunkt nicht real eingetreten, sondern nur das rechnerische Ergebnis der vertraglichen Vereinbarung eines Unter-Wert-Verkaufs, bei dem der Kaufpreis die Wertverhältnisse der Anteile in krasser Weise verfehlte und demnach nicht eine geminderte Leistungsfähigkeit des Z widerspiegelte.

Der Anteilsrotation kann kein realer wirtschaftlicher Hintergrund beigemessen werden. Denn sie diente lediglich dazu, durch den Verlust aufgrund des Unter-Wert-Verkaufs einen Steuererstattungsanspruch auszulösen, der die Tilgung privater Aufwendungen ermöglichen sollte.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die an der Anteilsrotation beteiligten Vertragsparteien (Z und A) die jeweilige Übertragung ihres Anteils unter Wert nur deshalb vorgenommen haben, weil sie im Gegenzug hierfür zivilrechtlich zwar einen "anderen", wirtschaftlich gesehen jedoch einen wertidentischen Kapitalgesellschaftsanteil zu einem dem realen Wert nicht entsprechenden Kaufpreis zurückerhalten haben. Derartige gegenläufige oder ringförmige Rechtsgeschäfte werden von der Rechtsprechung als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn sie keine verständliche wirtschaftliche Veränderung bewirken. Für derartige Fälle ist anerkannt, dass ein steuerrechtlich dem Grunde nach erheblicher Vorgang dann nicht berücksichtigt werden kann, wenn er durch einen gegenläufigen Rechtsakt erst geschaffen oder wieder ausgeglichen wird und damit von vornherein eine wirtschaftliche Belastung vermieden werden soll.