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Zum Selbstunterhalt eines behinderten Kindes beim Bezug einer Rente

Bezieht ein behindertes volljähriges Kind eine Rente, die durch Vermögensumschichtung begründet wurde, sind die den Ertragsanteil übersteigenden Teile der Rentenzahlungen nicht als Bezug zu berücksichtigen.

Hintergrund

Der Sohn (S) ist aufgrund einer (vor dem 25. Lebensjahr eingetretenen) seelischen Störung behindert und deshalb nicht in der Lage, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Seit 2017 bezieht er eine Rente und zudem Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Die Rente wird lebenslänglich aufgrund eines Vertrags gezahlt, auf den S zum Vertragsbeginn per 1.1.2017 einen Einmalbeitrag von 400.000 EUR entrichtet hatte. Dazu verwendete er 380.000 EUR, mit denen er als Erbe nach dem Tod seiner Mutter aufgrund einer testamentarischen Zweckbindung eine private Rentenversicherung zu begründen hatte. Die weiteren 20.000 EUR stammten aus bereits vorhandenen eigenen Mitteln des S.

Die Familienkasse war der Auffassung, S könne seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten und hob die Kindergeldfestsetzung ab April 2021 auf. S hatte in 2021 Einnahmen aus der privaten Rentenversicherung von 12.700 EUR. Seine Kapitalerträge wurden auf 3.600 EUR geschätzt.

Das FG gab der Klage statt. Die Rente sei nur in Höhe des Ertragsanteils zu berücksichtigen. Damit beliefen sich die Einkünfte und Bezüge für 2021 lediglich auf 6.121 EUR. Dem stehe ein Bedarf (Grundbedarf und behinderungsbedingter Mehrbedarf) von 11.864 EUR gegenüber, so dass S sich behinderungsbedingt nicht selbst unterhalten könne.

Entscheidung

Der BFH bestätigt das FG-Urteil. S konnte sich im Streitzeitraum (April bis Juli 2021) behinderungsbedingt nicht selbst unterhalten.

Für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, besteht ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung (wie hier) vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Ein behindertes Kind ist außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Die Fähigkeit zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits zu prüfen. Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge, d. h. grundsätzlich alle Mittel, die zur Deckung seines Lebensunterhalts geeignet und bestimmt sind und ihm im maßgeblichen Zeitraum zufließen, nicht jedoch sein Vermögen.

Vermögensübertragungen von Eltern auf ihre Kinder sind bei der Ermittlung der Bezüge des Kindes außer Betracht zu lassen. Als Bezüge anzusetzen sind nur Zuflüsse "von außen", wenn sie zur Finanzierung des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeignet oder bestimmt sind. Das Vermögen des behinderten Kindes gehört nicht zu den finanziellen Mitteln, die es für den Selbstunterhalt einzusetzen hat. Andernfalls hätte dies der Gesetzgeber ausdrücklich geregelt. Somit sind Einkünfte und Bezüge einerseits und Vermögen sowie Vermögensumschichtungen andererseits voneinander abzugrenzen.

Leibrenten, die wie im Streitfall auf eigenen Einzahlungen aus versteuertem Einkommen beruhen, werden typisierend nicht mit ihrem Gesamtbetrag, sondern nur mit ihrem Ertragsanteil besteuert. Das beruht auf der Vorstellung, dass mit den Rentenzahlungen neben der Verzinsung (Ertragsanteil) teilweise auch eigenes Vermögen (Tilgungsanteil, Kapitalrückzahlung) zurückfließt.

Der den Ertragsanteil übersteigende Teil ist nicht als Bezug zu erfassen, wenn der Rentenanspruch durch eine Vermögensumschichtung begründet wurde. Denn insoweit erhält der Rentenberechtigte (hier S) lediglich bereits vorher vorhandenes Vermögen zurück, d. h. vom Kind oder einem Kindergeldberechtigten zuvor (z. B. bei einer Bank oder einer Versicherung) angesparte Mittel. Dabei handelt es sich nicht um Bezüge, aus denen das Kind seinen Unterhalt zu decken hat. Denn andernfalls würde der Rückgriff auf Erspartes erneut als Einkommen gewertet. Ob Geld in einer Summe zurückgezahlt wird (Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht, in Raten oder, wie hier, als Teil einer lebenslangen Rente) ist unerheblich. In allen diesen Fällen handelt es sich um den Rückgriff auf Vermögen, soweit nur eine Rückzahlung vorliegt und keine Einkünfte erzielt werden.