Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung bei Freiwilligendienst zwischen mehreren Ausbildungsabschnitten
Eine aus mehreren Ausbildungsabschnitten bestehende einheitliche Erstausbildung liegt nur dann vor, wenn die einzelnen Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen. An einem engen zeitlichen Zusammenhang fehlt es, wenn das Kind zwischen zwei Abschnitten einen Freiwilligendienst absolviert, statt die Ausbildung sogleich fortzusetzen.
Hintergrund
Die 1996 geborene A beendete mit Ablauf des Sommersemesters 2018 erfolgreich ihr Studium.
In der Zeit vom 1.10.2018 bis zum 31.5.2019 absolvierte sie ein freiwilliges soziales Jahr.
Vom 1.7. bis 30.9.2019 ging sie einer befristeten Aushilfstätigkeit als Werkstudentin nach, wobei eine wöchentliche Arbeitszeit von 25 Stunden vereinbart war.
Ab dem 1.10.2019 (Wintersemester 2019/2020) begann A den Master-Studiengang in dem Fachbereich, in dem sie zuvor das Bachelorstudium erfolgreich abgeschlossen hatte.
Der Zulassungsbescheid der Universität datiert vom 10.7.2019.
Bereits mit E-Mail vom Juli 2018 hatte der Kläger die Familienkasse über die aus damaliger Sicht zukünftigen beruflichen Pläne seiner Tochter unterrichtet.
Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung letztlich mit Wirkung ab Juli 2019 auf. Die Familienkasse sah insbesondere aufgrund des zwischenzeitlich abgeleisteten sozialen Jahres keinen engen Zusammenhang zwischen dem Bachelorstudium und dem angestrebten Masterstudium und beurteilte dieses als Zweitstudium. Die Aushilfstätigkeit als Werkstudentin von wöchentlich 25 Stunden während des Zeitraums Juli bis September 2019 wurde als kindergeldschädlich eingeordnet.
Das FG schloss sich der Auffassung der Familienkasse nicht an und gewährte für den strittigen Zeitraum Juli bis September 2019 Kindergeld. Der Masterstudiengang sei noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung. Der dazwischen absolvierte Freiwilligendienst ändere hieran nichts, auch weil bereits vor Abschluss des Bachelors die Aufnahme des Masters nachweislich beabsichtigt war. Der Freiwilligendienst sei dann integrierter Bestandteil des Ausbildungsplans.
Entscheidung
Der BFH hat den Kindergeldanspruch abgelehnt.
Zwar kann das Kindergeld grundsätzlich selbst dann gewährt werden, wenn die Tochter in dem strittigen Zeitraum Juli bis September 2019 eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht fortsetzen kann. Der Master-Studiengang begann schließlich erst ab Oktober 2019.
Dem grundsätzlich möglichen Kindergeldanspruch steht aber im Entscheidungsfall die 25-stündige wöchentliche Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Werkstudententätigkeit entgegen. Der Tätigkeitsumfang war relevant, weil das Kind seine erstmalige Ausbildung mit Abschluss des Bachelors abgeschlossen hatte.
Eine einheitliche Erstausbildung im Sinne des Kindergeldrechts liegt bei mehreren Ausbildungsabschnitten (mehraktige einheitliche Ausbildung) nur vor, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. So ist es grundsätzlich möglich, dass die erstmalige Ausbildung im Kindergeldrecht z. B. erst mit Abschluss des Masters vorliegt.
Für eine mehraktige einheitliche Ausbildung kommt es vor allem darauf an, ob die einzelnen Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z. B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinanderstehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden.
Von einem engen zeitlichen Zusammenhang geht die Rechtsprechung nur dann aus, wenn das Kind nach seinem ersten Ausbildungsabschnitt zum nächstmöglichen Zeitpunkt den nächsten Ausbildungsabschnitt aufnimmt.
Hiervon war im Entscheidungsfall nicht auszugehen, weil sich das Kind nach dem erfolgreich abgeschlossenen Bachelor-Studium aus persönlichen Gründen für einen Freiwilligendienst entschied. Allein die Entscheidung zur Aufnahme des Masterstudiums nach dem Freiwilligendienst, die vor Beendigung des Bachelors getroffen wurde, reicht nicht aus. Durch die tatsächliche Entscheidung für den Freiwilligendienst aus persönlichen Gründen wird der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Bachelor- und dem Master-Studium unterbrochen und die Erstausbildung im Sinne des Kindergeldrechts ist mit Abschluss des Bachelors beendet.
Der kindergeldauslösende Freiwilligendienst selbst stellt keine Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar – entgegen der Auffassung des FG – und kann damit kein Bestandteil einer mehraktigen Ausbildung sein.