Skip to main content

Bemessungsgrundlage für die Steuerfreiheit bei Nachtzuschlägen

Die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Bereitschaftsdienste, die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht und gesondert vergütet werden, bemisst sich nach dem Arbeitslohn für die regelmäßige Arbeitszeit und nicht nach dem Bereitschaftsdienstentgelt.

Hintergrund

Die Klägerin betreibt eine Förderschule mit angeschlossenem Internat für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen, die von den Mitarbeitern auch in der Nacht betreut werden.

Die wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit des Betreuungspersonals betrug im Streitzeitraum (Januar 2014 bis Dezember 2017) bei Vollzeitbeschäftigung durchschnittlich 39 Stunden. Die regelmäßigen monatlichen Dienstbezüge (Grundlohn) setzten sich aus der monatlichen Regelvergütung, der Kinderzulage und den sonstigen Zulagen zusammen. Die Zeit der nächtlichen Beaufsichtigung wurde gemäß den arbeitsvertraglichen Regelungen als Bereitschaftsdienst behandelt.

Nach den arbeitsvertraglichen Regelungen wurde die Bereitschaftsdienstzeit zum Zwecke der Entgeltberechnung faktorisiert und nur zu 25 % als Arbeitszeit entgolten. Daneben erhielten die Mitarbeiter für den Bereitschaftsdienst in den Nachtstunden je tatsächlich geleisteter Stunde einen Zeitzuschlag i. H. v. 15 % des auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelts.

Das den Mitarbeitern danach zustehende Bereitschaftsdienstentgelt versteuerte die Klägerin, soweit die faktorisierte Arbeitszeit entgolten wurde, regulär. Den Zeitzuschlag für die Zeit von 0:00 Uhr bis 6:00 Uhr zahlte sie steuerfrei aus.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die den Beschäftigten gezahlten Zuschläge über den gesetzlichen Höchstgrenzen gelegen hätten. Sie seien insoweit zu Unrecht steuerfrei ausgezahlt worden. Als Bemessungsgrundlage für die Steuerfreiheit der Zuschläge und damit als Grundlohn sei lediglich das Entgelt für den Bereitschaftsdienst anzusetzen. Das Finanzamt erließ einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerbeträge für den Streitzeitraum.

Das FG folgte dieser Auffassung nicht und gab der erhobenen Klage statt.

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen und die Auffassung des FG bestätigt.

Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen und mit höchstens 50 EUR anzusetzen. Grundlohn steht dem Arbeitnehmer zu, wenn er diesem bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung geschuldet wird.

Der Grundlohn ist von den sonstigen Bezügen abzugrenzen. Laufender Arbeitslohn ist danach das dem Arbeitnehmer regelmäßig zustehende Arbeitsentgelt und damit das Monatsgehalt, der Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütungen, laufende Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen.

Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist weiter, dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden; sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte geleistete Tätigkeit sein. Hierfür ist regelmäßig erforderlich, dass in dem Arbeitsvertrag zwischen der Grundvergütung und den Erschwerniszuschlägen unterschieden und ein Bezug zwischen der zu leistenden Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit und der Lohnhöhe hergestellt ist. Es muss sich bei den Zuschlägen objektiv um ein zusätzlich (zum Grundlohn) geschuldetes Arbeitsentgelt für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit handeln.

Darüber hinaus muss die Zahlung des Zuschlags zweckbestimmt erfolgen. Die Steuerbefreiung setzt dementsprechend voraus, dass die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind.

Zur tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit zählt jede arbeitsvertraglich geschuldete (Berufs-)Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit auch jede vom Arbeitgeber zu den begünstigten Zeiten verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit des Arbeitnehmers oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit ist daher jede zu den begünstigten Zeiten tatsächlich im Arbeitgeberinteresse ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers. Dazu gehört auch das bloße Bereithalten einer tatsächlichen Arbeitsleistung, wenn gerade dieses arbeitsvertraglich geschuldet ist.

Eine Beschränkung der Steuerbefreiung für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschläge auf tatsächlich belastende Tätigkeiten während der begünstigten Zeiten ist im Gesetz nicht angelegt. Das Gesetz schöpft den steuerlichen Entlastungsgrund abstrakt-generell und typisierend aus dem Umstand, dass der Dienst zu den dort genannten Zeiten geleistet und dies als in besonderer Weise belastend erachtet wird. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist daher, dass eine zuschlagsbewehrte Tätigkeit zu den begünstigten Zeiten tatsächlich ausgeübt wird. Ob die zu diesen Zeiten verrichtete Tätigkeit den einzelnen Arbeitnehmer in besonderer Weise fordert oder ihm „leicht von der Hand“ geht, ist nicht entscheidend.

Zudem erfordert die Steuerfreiheit der Zuschläge grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonn- und Feiertagen oder zur Nachtzeit. Dadurch soll von vornherein gewährleistet werden, dass ausschließlich Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden und keine allgemeinen Gegenleistungen für die Arbeitsleistung darstellen. Hieran fehlt es, wenn die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit lediglich allgemein abgegolten wird, da hierdurch weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Prozentsätzen des Grundlohns) möglich ist.

Danach war die Vorentscheidung nicht zu beanstanden.

Unstreitig ist, dass die Klägerin die streitigen Zuschläge nur insoweit steuerfrei belassen hat, als sie auf tatsächlich von den Mitarbeitern zu den begünstigten Zeiten geleistete Arbeit entfielen und dass die geleisteten zuschlagsbewehrten Arbeitsstunden ordnungsgemäß aufgezeichnet wurden.

Die Klägerin hat die steuerfrei belassenen Nachtarbeitszuschläge auch neben dem Grundlohn (zusätzlich) geleistet.

Nach dem Inhalt der arbeitsvertraglichen Regelungen setzte sich das Arbeitsentgelt der Mitarbeiter der Klägerin unter anderem aus der Grundvergütung (Tabellenentgelt), dem faktorisierten Bereitschaftsdienstentgelt und den Zuschlägen für die Zeit des Bereitschaftsdienstes in den Nachtstunden zusammen. Die Zuschläge wurden zusätzlich zu dem Bereitschaftsdienstentgelt je (Nacht-)Stunde i. H. v. 15 % des auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelts gezahlt. Die arbeitsvertraglichen Regelungen unterscheiden damit hinreichend zwischen der Grundvergütung (Tabellenentgelt), dem Bereitschaftsdienstentgelt und den streitbefangenen steuerfreien Zuschlägen. Letztere stellen sich daher nicht als Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, zu den begünstigten Zeiten geleistete Tätigkeit bei der Klägerin dar.

Der Steuerfreiheit der Zuschläge steht nicht entgegen, dass die Mitarbeiter der Klägerin während ihrer Bereitschaftsdienste keinen Anspruch auf Grundlohn hatten, sondern diese Tätigkeit mit dem Bereitschaftsdienstentgelt „gesondert“ vergütet wurde.

Mit dem Tabellenentgelt wird die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit abgegolten. Leisten Mitarbeiter Bereitschaftsdienst, haben sie einen zusätzlichen Anspruch auf das Bereitschaftsdienstentgelt. Die Faktorisierung der Arbeitszeit des Bereitschaftsdienstes – im Streitfall 25 % – dient nur dem Zweck der Entgeltberechnung und begegnet auch arbeitsrechtlich keinen Bedenken.

Auch wenn das Bereitschaftsdienstentgelt nach diesen Grundsätzen nicht zum laufenden Arbeitslohn und damit nicht zum Grundlohn gehört, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht, werden die während der Nachtbereitschaft erdienten Zuschläge nicht nur neben dem Bereitschaftsdienstentgelt, sondern jedenfalls auch neben dem – weil zusätzlich hierzu gewährten – Grundlohn geleistet.

Die Höhe der Steuerfreiheit der Nachtarbeitszuschläge ist nicht nach dem (anteilig) für den Bereitschaftsdienst gezahlten Bereitschaftsdienstentgelt, sondern nach dem vollen auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelt zu bemessen. Denn nur das Tabellenentgelt ist der Grundlohn und damit die maßgebliche Größe, nach der die Steuerfreiheit der Zuschläge der Höhe nach zu berechnen ist. Eine andere „Bemessungsgrenze“ kennt das Gesetz nicht. Dass der Bereitschaftsdienst nach den arbeitsvertraglichen Regelungen nur angeordnet werden durfte, wenn zu erwarten war, „dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt“, steht dem nicht entgegen. Denn eine konkret (individuell) belastende Tätigkeit verlangt das Gesetz für die Steuerfreiheit von Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschlägen nicht.

Ausgehend hiervon überschritten die von der Klägerin steuerfrei gezahlten Zuschläge für die geleistete Nachtbereitschaft die höchstens steuerfrei anwendbaren Prozentsätze unstreitig nicht.