Kann die Ausschlagung einer Erbschaft rückgängig gemacht und doch geerbt werden?
Wer eine Erbschaft ablehnt, kann seine Entscheidung nur anfechten, wenn er sich über die Zusammensetzung des Nachlasses geirrt hat. Ein Irrtum über den Wert des Nachlasses reicht nicht aus.
Hintergrund
Die Erblasserin war im Alter von 106 Jahren gestorben. Sie befand sich vor ihrem Tod längere Zeit in einem Seniorenheim. Für die Heim- und Pflegekosten kam die Kriegsopferfürsorgestelle in Form der Gewährung eines Darlehens an die Erblasserin auf. Das Darlehen der Kriegsopferfürsorgestelle wurde durch Eintragung einer Grundschuld auf einem der Erblasserin gehörenden Hausgrundstück abgesichert.
Die Erblasserin hatte ihren Ehemann, ihre beiden Kinder und einige ihrer Enkelkinder überlebt. Da kein Testament vorhanden war, waren eine Enkelin und die Urenkel die gesetzlichen Erben.
Die Enkelin schlug die Erbschaft aus, mit der Begründung, dass nach ihrer Kenntnis der Nachlass überschuldet sei. Die Urenkel traten die Erbschaft an.
Bei dem anschließenden Verkauf des Hausgrundstücks durch eine gerichtlich bestellte Nachlasspflegerin wurde ein Kaufpreis erzielt, der die durch die Grundschuld abgesicherten Verbindlichkeiten gegenüber der Kriegsopferfürsorgestelle deutlich überstieg. Hierauf focht die Enkelin ihre Erbausschlagung wegen Irrtums an und beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Miterbin ausweisen sollte.
Das zuständige Nachlassgericht hat den Erbschein antragsgemäß erteilt. Das Gericht war der Auffassung, die Enkelin habe die erklärte Erbschaftsausschlagung wirksam angefochten. Gegen diese Entscheidung legte einer der Urenkel Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) ein.
Entscheidung
Die Beschwerde hatte Erfolg. Das OLG sah die Anfechtung der Ausschlagungserklärung als nicht wirksam an. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts habe die Enkelin kein Recht zur Irrtumsanfechtung gehabt.
Sie habe sich lediglich in einem unbeachtlichen Motivirrtum befunden, indem sie eine unrichtige Vorstellung über den Wert des Hausgrundstücks gehabt habe. Die Enkelin habe irrtümlich angenommen, dass die Verbindlichkeiten gegenüber der Kriegsopferfürsorgestelle den möglichen Erlös aus dem Hausverkauf übersteigen würden. Diese unzutreffende Vorstellung über den Wert eines Nachlassgegenstandes berechtige nicht zu einer Irrtumsanfechtung.
An diesem Ergebnis änderte nach Auffassung des OLG auch die Tatsache nichts, dass zum Nachlass noch ein Guthabenkonto der Erblasserin bei der Kreissparkasse Köln gehörte, das der Enkelin zum Zeitpunkt der Ausschlagung nicht bekannt war. Hinsichtlich der Existenz des Bankguthabens habe die Enkelin zwar möglicherweise über den Bestand des Nachlasses geirrt, dies berechtige die Enkelin aber ebenfalls nicht zur Anfechtung, da der Guthabenbetrag auf dem Girokonto wirtschaftlich nicht ins Gewicht gefallen sei. Hätte die Enkelin das Guthaben gekannt, so hätte sich an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses nichts geändert. Der Irrtum über das Bankguthaben sei damit nicht ursächlich für die Erklärung der Ausschlagung der Erbschaft.
Im Ergebnis war damit die Anfechtung der Ausschlagungserklärung nicht wirksam erfolgt. Die Enkelin ist also nicht Erbin geworden und geht damit leer aus.