Nießbrauchsrecht: Wie ist ein entgeltlicher Verzicht steuerlich zu werten?
Der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchrecht stellt kein privates Veräußerungsgeschäft, sondern vielmehr einen veräußerungsähnlichen Vorgang dar, der nicht unter § 23 EStG fällt.
Hintergrund
Das Finanzamt hat den Gewinn aus dem entgeltlichen Verzicht der Klägerin auf das Nießbrauchrecht als Gewinn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 behandelt, da der Verzicht innerhalb der 10-jährigen Veräußerungsfrist erfolgt ist.
Die Klägerin ist jedoch der Auffassung, dass weder ein Anschaffungsvorgang noch ein Veräußerungsvorgang i. S. d. § 23 EStG vorliegt. Es habe ein nicht steuerbarer Vermögensaustausch stattgefunden, sodass keine Einkünfte aus 23 EStG erzielt worden seien. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren trägt die Klägerin mit ihrer Klage zusätzlich vor, dass auf die Annahme des Vermächtnisses im Jahr 2008 abzustellen sei, sodass der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG nicht eröffnet sei.
Entscheidung
Das FG gibt der Klägerin Recht und vertritt die Auffassung, dass das Nießbrauchrecht durch den entgeltlichen Verzicht im Jahr 2019 nicht i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG veräußert wurde.
Der Verzicht auf das Wirtschaftsgut "Nießbrauchrecht" stelle keine Veräußerung, sondern einen veräußerungsähnlichen Vorgang dar, da der für die Annahme einer Veräußerung erforderliche Rechtsträgerwechsel nicht erfolgt sei. Solche veräußerungsähnlichen Vorgänge würden von § 23 EStG nicht erfasst.
In der zu § 22 Nr. 3 EStG ergangenen Rechtsprechung differenziere der BFH zwischen Veräußerungsvorgängen und veräußerungsähnlichen Vorgängen im privaten Bereich. Lediglich im Zusammenhang mit Veräußerungsvorgängen werde § 23 EStG genannt. In Bezug auf veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich bleibe § 23 EStG explizit unerwähnt. Eine über den Wortlaut hinausgehende erweiternde Auslegung des § 23 EStG sei nicht geboten, sodass § 23 EStG nicht auf den veräußerungsähnlichen Vorgang des Verzichts auf einen Nießbrauch nicht anzuwenden sei.