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Rechtsanwaltskosten für ein Wehrdisziplinarverfahren abziehbar

Rechtsverfolgungskosten eines Berufssoldaten für ein gegen ihn geführtes Wehrdisziplinarverfahren sind als Werbungskosten abzugsfähig.

Hintergrund

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2018 als Berufssoldat der Bundeswehr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts C (AG) wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten schuldig gesprochen und kostenpflichtig verwarnt. Ferner behielt sich das AG eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen vor.

Noch während des laufenden Strafverfahrens wurde gegen den Kläger ein gerichtliches Wehrdisziplinarverfahren eröffnet, welches neben dem im Strafverfahren behandelten Vorwurf zahlreiche weitere mutmaßliche Disziplinarvergehen – im Wesentlichen in Gestalt von Beiträgen auf seinem Social-Media-Account – zum Gegenstand hatte.

Für seine Vertretung in dem Disziplinarverfahren wandte der Kläger im Streitjahr Rechtsanwaltskosten i. H. v. 1.785 EUR auf, deren Abzug er als außergewöhnliche Belastungen in seiner Einkommensteuererklärung beantragte. Zum Nachweis legte er u. a. ein Schreiben seines Prozessvertreters vor, nach welchem im Wehrdisziplinarverfahren die Entfernung aus dem Dienstverhältnis im Raum stehe.

Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten weder als Werbungskosten noch als außergewöhnliche Belastungen.

Das FG gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage statt und erkannte die dem Kläger entstandenen Rechtsanwaltskosten in voller Höhe als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit an.

Entscheidung

Der BFH hat entschieden, dass das FG hat die Rechtsanwaltskosten des Klägers für seine Vertretung im Wehrdisziplinarverfahren zu Recht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt hat.

Kosten der Rechtsverfolgung (Beratungs-, Vertretungs- und Prozesskosten) teilen grundsätzlich die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren. Ist Gegenstand des Rechtsstreits ein Vorgang der Privatsphäre (z. B. das Bestehen eines Erbrechts), so sind die Kosten der Rechtsverfolgung nicht abzugsfähig. Der Abzug von durch einen Strafprozess verursachten Rechtsverfolgungskosten als Werbungskosten setzt voraus, dass die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Tat in Ausübung und nicht nur gelegentlich der Berufstätigkeit begangen worden ist. Bei zivil- oder arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten besteht ein Zusammenhang zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Streitigkeit das Arbeitsverhältnis betrifft.

Die Beurteilung, ob Aufwendungen beruflich oder privat veranlasst sind, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung des FG. Diese ist für das Revisionsgericht bindend, wenn sie verfahrensrechtlich ordnungsgemäß durchgeführt wurde und nicht gegen Denkgesetze verstößt oder Erfahrungssätze verletzt.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Würdigung des FG, nach der die Rechtsanwaltskosten des Klägers für dessen Vertretung im Wehrdisziplinarverfahren durch dessen nichtselbständige Arbeit veranlasst sind, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang der Aufwendungen zu den Einkünften aus der Tätigkeit des Klägers als Berufssoldat ergibt sich schon daraus, dass Gegenstand des Verfahrens die Ahndung von Dienstvergehen durch Verhängung von Disziplinarmaßnahmen ist, die sich auf das Dienstverhältnis und das berufliche Fortkommen auswirken.

Ein (behördliches wie gerichtliches) Wehrdisziplinarverfahren dient ausschließlich der Ahndung von Dienstvergehen durch Verhängung von Disziplinarmaßnahmen. Kosten eines Soldaten für seine Verteidigung in einem solchen Wehrdisziplinarverfahren haben mithin den Zweck, entweder schon die Feststellung eines Dienstvergehens zu verhindern und/oder jedenfalls die Verhängung einer, sich auf das berufliche Fortkommen/die Höhe der Bezüge auswirkenden Disziplinarmaßnahme ganz oder teilweise abzuwenden. Hieran ändert sich nichts, falls ein außerdienstliches Verhalten Anlass für das Wehrdisziplinarverfahren war. Denn ein solches Verhalten kann nur insoweit Gegenstand eines Wehrdisziplinarverfahrens sein, als sich aus ihm eine Verletzung der Dienstpflichten des Soldaten ergibt, insbesondere der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht.

Im Streitfall dienten die Aufwendungen im Zusammenhang mit einem gerichtlichen Wehrdisziplinarverfahren unmittelbar der Erhaltung der Einnahmen aus dem Dienstverhältnis. Denn sämtliche in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren in Betracht kommenden Disziplinarmaßnahmen (Kürzung der Dienstbezüge, Beförderungsverbot, Herabsetzung in der Besoldungsgruppe, Dienstgradherabsetzung oder Entfernung aus dem Dienstverhältnis) hätten bei ihrer Verhängung die Einkünfte des Klägers aus seinem Dienstverhältnis gemindert. Zwar dürfen die Wehrdienstgerichte auch einfache Disziplinarmaßnahmen verhängen. Allerdings erfolgt eine Einleitung eines gerichtlichen Wehrdisziplinarverfahrens nur dann, falls zumindest auch die Verhängung einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme im Raum steht.

Die Vorinstanz hat auch zu Recht die zur Abzugsfähigkeit von Prozesskosten eines Strafverfahrens ergangene Rechtsprechung des BFH nicht auf Prozesskosten eines Wehrdisziplinarverfahrens übertragen. Denn die beiden Verfahren unterscheiden sich nach Rechtsgrund und Zweckbestimmung wesentlich voneinander. Ein Strafverfahren ist auf die Sanktion der Verletzung eines von der Rechtsordnung allgemein geschützten Rechtsguts gerichtet. Deshalb bemisst sich die Strafe in diesem Fall nach dem normativ festgelegten Wert des verletzten Rechtsguts und der Schuld des Täters. Ein Veranlassungszusammenhang zwischen einem Strafverfahren und der beruflichen Tätigkeit besteht daher – wie bereits dargelegt – nur ausnahmsweise dann, falls dem Steuerpflichtigen eine Tat zur Last gelegt wird, die er in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen hat.

Dies ist bei einem Wehrdisziplinarverfahren anders, bei dem sich die Disziplinarmaßnahme auf den besonderen Rechts- und Pflichtenstatus der Angehörigen eines bestimmten Berufsstands bezieht. In diesem Verfahren wird ein – ggf. strafbewehrtes – Verhalten allein daraufhin überprüft, ob sich aus ihm eine ungerechtfertigte und schuldhafte Verletzung von Dienstpflichten ergibt.

Entgegen der Auffassung des Finanzamts schließt ein strafbewehrter, subjektiver Handlungsvorwurf des Dienstherrn als Anlass für das Disziplinarverfahren einen Veranlassungszusammenhang der Rechtsverfolgungskosten zu der beruflichen Sphäre nicht aus, selbst wenn sich dieser Vorwurf als zutreffend erweisen sollte. Denn nach § 40 AO ist es für die Besteuerung grundsätzlich unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Strafwürdiges oder verbotswidriges Verhalten ist nicht ohne Weiteres zwingend der privaten Sphäre zuzurechnen, weil die Besteuerung sich grundsätzlich wertungsindifferent nur nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit richtet.